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STRECKENJUBILÄUM

Erste reaktivierte Strecke des SPNV-Nord: Eifelquerbahn feiert Jubiläum

Im Mai 2020 ist es genau 20 Jahre her, dass der Streckenabschnitt zwischen Mayen West und Kaisersesch wieder in Betrieb genommen wurde. Maßgeblich für die Wiederinbetriebnahme waren die damaligen intensiven Vorarbeiten des SPNV-Nord, so dass die heute 140 Jahre alte Strecke durchgängig zwischen Andernach und Kaisersesch befahren werden kann. Und einige Fahrgäste erinnern sich vielleicht noch an die Zeit vor fast 30 Jahren, bevor auf dem Abschnitt Kaisersesch – Gerolstein der Schienenpersonenverkehr eingestellt und durch Busse ersetzt wurde. Viele Bewohner der West- und Vulkaneifel fragten damals „Well’sta verrasen?“ (Willst Du verreisen?) und bekamen immer „Esch fohren mom Zuch off Äsch“ (Ich fahre mit dem Zug nach Kaisersesch) zur Antwort – so wie es ihre Vorfahren Ende des 19. Jahrhunderts voller Stolz auf den neu erbauten Bahnhöfen erwidert haben.

In der Pellenz entstand bereits im 19. Jahrhundert durch Abbau der dort oberflächennah liegenden vulkanischen Gesteine eine ausgedehnte Industrie zur Herstellung von Schotter und Pflastersteinen (aus Basalt) sowie eine Bimssteinindustrie (aus Tuff). Um deren Produkte nach Andernach zu bringen zur Verladung auf Rheinschiffe wurde im Juli 1854 von Mayen aus eine Straße nach Andernach fertiggestellt. Diese Straße wurde so gut angenommen, dass sie 1869 zu den drei am stärksten genutzten, mautpflichtigen Straßen Preußens gehörte. Allerdings waren die Pferdefuhrwerke langsam und in ihren Transportmengen begrenzt. Die Rheinische Eisenbahn erkannte die guten Renditechancen durch einen beschleunigten und leistungsfähigeren Transport auf der Schiene und plante bereits Ende der 1860er Jahre von der seit 1858 in Betrieb befindlichen linksrheinischen Strecke eine Stichbahn vom Rhein nach Mayen zu bauen. Dabei sollten die Steinprodukte auch mit der Bahn weiterbefördert werden können. Nachdem anfangs auf Initiative der Stadt Neuwied auch diskutiert wurde, die Strecke in Weißenthurm von der linksrheinischen Strecke abzweigen zu lassen, setzte sich schließlich Andernach als Ausgangsbahnhof durch.

In der zweiten Hälfte der 1870er Jahre wurden die Genehmigungsverfahren für die Gesamtstrecke abgeschlossen und die Bauarbeiten begannen. Im Frühling 1878 konnte schließlich der Verkehr auf dem ersten Teilstück bis Mendig eröffnet werden. Zwei Jahre später wurde auch die Verlängerung bis zum heutigen Ostbahnhof in Mayen in Betrieb genommen. Der Güterverkehr nahm rasch zu. Immer mehr Gleisanschlüsse wurden gebaut. Die Bahnhöfe wurden nach und nach erweitert. Der Personenverkehr entwickelte sich weniger gut, war aber so beachtlich, dass eine Weiterführung der Bahn von Mayen zur Eifelstrecke Trier-Köln ins Auge gefasst wurde. Bereits in der ersten Hälfte der 1880er Jahre – nun in der Regie der Preußischen Staatsbahn, in der die Rheinische Eisenbahn aufging – wurden verschiedene Varianten diskutiert, unter denen sich Gerolstein als Endpunkt abzeichnete. Dazwischen bewarben sich viele Eifelorte um einen Anschluss. Die schließlich gewählte Linienführung über Kaisersesch, Ulmen und Daun zeichnete sich aber erst in der zweiten Hälfte der 1880er Jahre ab. 1888 wurde schließlich der Streckenbau durch Gesetz beschlossen und der Bau von Mayen ausgehend begann. Letzte Unklarheiten über den Trassenverlauf im Westen wurden bis Sommer 1892 geklärt. Im Frühling 1895 erfolgte schließlich die Inbetriebnahme der Strecke Mayen Ost – Gerolstein.

DB Regio befuhr die Strecke von Dezember 2008 bis Dezember 2014 mit Fahrzeugen der Baureihe 628 – hier zu sehen nach Verlassen des Tunnels unterhalb der Löwenburg.

Bis 1910 stieg der Güterverkehr an, auch dank der Erweiterungen des Eifelstreckennetzes durch die Bahnlinien von Mayen nach Koblenz-Lützel und von Daun nach Wittlich. In Mayen, Daun und Gerolstein entstanden Dienststellen der Eisenbahn (u. a. Güterbahnhöfe, Betriebswerke). Diese Ortschaften wurden begleitend durch die Ansiedlung von Industrieund Gewerbebetrieben gestärkt. Anfangs entwickelte sich auch auf der Strecke Mayen Ost – Gerolstein der Verkehr befriedigend. Das Güteraufkommen betrug hier aber beispielsweise 1927 nur ein Fünftel dessen, was auf dem kürzeren Streckenabschnitt Andernach – Mayen Ost transportiert wurde. Hier machte der Anteil von Steinen und Erden den Hauptteil des Transportaufkommens aus. Untergeordnet wurden auch landwirtschaftliche Produkte und als Besonderheit Bier aus Niedermendig befördert. Im westlichen Teil der Eifelquerbahn wurde mehr Holz abgefahren.

Der Personenverkehr hatte in der Zeit vor dem 2. Weltkrieg immer eine geringere Bedeutung gegenüber dem Güterverkehr und war defizitär. Die Höchstgeschwindigkeit der Personenzüge betrug weniger als 50 km/h. Bereits Ende der 20er Jahre wurde das Bahnhofspersonal im Abschnitt Mayen Ost – Gerolstein reduziert. Alle Bahnhöfe außer Daun, Rengen und Pelm wurden zu Agenturen umgewandelt, in denen der Fahrscheinverkauf in beauftragten privaten Einrichtungen wie z. B. Gaststätten erfolgte. 1929/1930 wurde der vereinfachte Nebenbetrieb eingeführt. 

Mit dem Bau des Westwalls Ende der 30er Jahre stieg das Verkehrsaufkommen wieder an und die Eifelquerbahn wurde für den Regelbetrieb ausgebaut. Ende 1944 waren viele Militärzüge mit Soldaten und Waffen zur Vorbereitung der Ardennenoffensive in Richtung Westen unterwegs. Mit dem Näherrücken der Front stellte die Reichsbahn in den Monaten Februar und März den Verkehr ein. In dieser Zeit wurde die Strecke vermehrt durch Luftangriffe beschädigt. Das Nettetalviadukt in Mayen brach am 28. Februar 1945 ein. Die bereits beschädigte Kyllbrücke zwischen Hohenfels und Pelm wurde von deutschen Truppen gesprengt. 

Abgesehen von diesen beiden größten Brücken waren die Kriegsschäden vergleichsweise gering, so dass auf den Abschnitten dazwischen schon im Sommer 1945 ein provisorischer Betrieb aufgenommen werden konnte. Ende August 1946 war auch die Kyllbrücke notdürftig wieder repariert, so dass der Betrieb auf der Eifelquerbahn wieder durchgehend lief. In den Jahren danach wurde aber trotz einer Sanierung im Jahre 1968 versäumt, die Kyllbrücke wieder so stabil aufzubauen, dass sie für höhere Geschwindigkeiten befahrbar ist. Ihr Neubau ist nach heutigen Gesichtspunkten unvermeidbar und bildet für die heutigen Bemühungen zur Reaktivierung der Strecke einen Kostenschwerpunkt.

Zwischen 1950 und 1955 wurde die Eifelquerbahn wieder auf vereinfachten Zugbetrieb umgestellt. Die Bundesbahn setzte anstatt der lokbespannten Dampfzüge vermehrt betriebskostensenkende Schienenbusse ein. Dennoch wurden im Personenverkehr immer mehr Verluste eingefahren. Nach und nach stiegen die Fahrgäste auf das Auto um. Auf der neu gebauten Autobahn Koblenz-Trier, die zwischen Kaisersesch und Daun mehr oder minder parallel zur Eifelstrecke verläuft, kam man nun viel schneller voran. Bereits 1967/68 gab es einen ersten Versuch, den Abschnitt zwischen Kaisersesch und Gerolstein stillzulegen, der aber nach Protesten noch abgewendet werden konnte.

Dennoch begann nun der Abbau der Eisenbahninfrastruktur. Zunächst wurde in diesen beiden Jahren das zweite Gleis zwischen Mendig und Mayen Ost abgebaut. Der zweigleisige Rest zwischen Andernach und Mendig – bis dahin eine zweigleisige Hauptbahn – wurde zur Nebenbahn herabgestuft. Auch dort sollte das zweite Gleis entfernt werden. Ein Zusammenstoß zweier Personenzüge in Plaidt auf einem bereits eingleisigen Streckenabschnitt am 11. Juni 1969 mit Toten und Verletzten brachte die Verantwortlichen der Bundesbahn zur Einsicht und der begonnene Gleisabbau wurde wieder rückgängig gemacht.

Von Mai 2000 bis Dezember 2008 fuhr trans regio mit Fahrzeugen vom Typ RegioShuttel auf der Strecke - hier zu sehen am modernisierten Endhaltepunkt in Kaisersesch.

Ein zweiter Stilllegungsversuch für den Abschnitt Mayen Ost – Gerolstein 1974/75 wurde noch einmal verhindert. Aber sonntags fuhren danach keine Personenzüge mehr. Auch werktags wurde der Fahrplan immer mehr ausgedünnt. Ab 1983 machten zwischen Koblenz und Prüm verkehrende Bahnbusse, die als Schnellbusse bis Daun über die Autobahn fuhren, den Personenzügen zusätzlich zum Auto Konkurrenz. Die Einstellung des Personenverkehrs auf den Zweigstrecken Wittlich – Daun (1981) und Koblenz-Lützel – Mayen Ost (1983) nahm der Eifelquerbahn an ihren Knotenpunkten Umsteiger.

Eine Atempause erhielt die Eifelbahn Mitte der 80er Jahre. Der ständig rückläufige Güterverkehr – wie der Personenverkehr durch den Autobahnbau und den Ausbau der Bundes- und Landesstraßen geschwächt – stieg ab November 1984 wieder etwas an, als nach einem Orkan viele umgestürzte Baumstämme aus der Eifel transportiert wurden. Eine Einstufung als NATO-Nachschubstrecke bescherte der Eifelquerbahn unerwartete finanzielle Mittel zur Verbesserung der Infrastruktur. Ab Mai 1986 beseitigte die Bundesbahn damit Langsamfahrstellen und erneuerte den Oberbau, so dass wieder 50 km/h (abschnittsweise sogar 60 km/h) gefahren werden konnte. Einen Zuwachs an Fahrgästen brachte dies aber nicht.

Anfang der 90er Jahre setzte die Bundesbahn ihre Stilllegungsabsichten durch. Am 12.01.1991 fuhr der letzte Personenzug von Kaisersesch nach Gerolstein. Auch auf dem Abschnitt Mayen West – Kaisersesch wurde am Ende dieses Tages der Personenverkehr eingestellt. Ihren Güterverkehr beendete die Bundesbahn in diesen Tagen im mittleren Abschnitt Kaisersesch – Ulmen ebenfalls. Gleiches geschah auf dem westlichen Abschnitt Ulmen – Gerolstein Anfang 1998 und im Frühling 2000 auch auf dem östlichen Rest zwischen Andernach und Kaisersesch.

Mit den Jahren wurde der Zustand der Gleise und der baulichen Anlagen immer schlechter. Als die Kyllbrücke Ende 2012 so baufällig war, dass der Güterverkehr nach Kaisersesch über sie nicht mehr gestattet werden konnte, wurde ab dem Neujahrstag 2013 die gesamte Eifelquerbahn zwischen Kaisersesch und Gerolstein gesperrt. Ab diesem Zeitpunkt ist dort kein Zug mehr gefahren. Der seither nur noch formale Betreiber, die Vulkan-Eifelbahn-Betriebsgesellschaft (VEB), schrieb die Strecke im Januar 2019 zur Pacht oder zum Verkauf aus. Gleichzeitig eröffnete die Deutsche Bahn ein förmliches Stilllegungsverfahren, das nur durch den Kauf der Strecke durch ein anderes Eisenbahninfrastrukturunternehmen abgewendet werden kann. Kommt es nicht zum Verkauf oder zur Pacht, hat die DB Netz AG als Eigentümer der Strecke das Recht, sie endgültig stillzulegen. Teile der Lokalpolitik, die früher eine Reaktivierung anstrebten, setzen sich mittlerweile für die Nutzung als Radweg ein, so wie es schon mit der Strecke Wittlich – Daun und auch zwischen Polch und Mayen geschehen ist.

Dank der Öffnung des Schienennetzes im Rahmen der Bahnreform konnten Güterzüge von anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen auf der Eifelquerbahn verkehren. Bereits ab 1991 veranstaltete ein bereits 1985 gegründeter Interessenverband zur Erhaltung der Eifelquerbahn, die Eisenbahnfreunde Vulkaneifel, bis 1995 zahlreiche gut besuchte Sonderfahrten. Später kam ein Museumsbahnbetrieb zwischen Ulmen und Daun hinzu.

Im Rahmen der Bahnreform und der damit verbundenen Regionalisierung des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) ist die Verantwortung für den SPNV auf die Bundesländer übergegangen. Damit wurden neue Rahmenbedingungen für eine Renaissance der Eifelquerbahn geschaffen. Der 1997 neu gegründete SPNV-Nord als zuständiger Aufgabenträger für den SPNV im Norden von Rheinland-Pfalz hat in Verbindung mit der Vergabe der SPNV-Leistungen auf der Strecke Andernach – Mayen an die trans regio Deutsche Regionalbahn GmbH (trans regio) dafür gesorgt, dass der Streckenabschnitt Mayen – Kaisersesch der Eifelquerbahn für den Betrieb im SPNV reaktiviert und trans regio diesen seit dem 01.08.2000 mit modernen Leichttriebwagen befuhr. Dazu wurde in Kaisersesch 200 m vor dem alten Empfangsgebäude ein neuer Bahnsteig gebaut, der in den Monaten danach direktem Anschluss an einen neuen Busbahnhof erhielt.

Ganz aktuell entwickelt der SPNV-Nord ein Angebotskonzept für die gesamte Strecke von Andernach bis Gerolstein. In der Hoffnung auf ein attraktives Angebotskonzept könnte anschließend eine Machbarkeitsstudie für den erforderlichen Infrastrukturausbau folgen.

Wer sich ausführlich mit der Eifelquerbahn beschäftigen möchte, findet weitere Informationen hier:
Eisenbahnchronik Eifel – Band 2: Die östlichen Eisenbahnen, Moselstrecke und Privatbahnen (Klaus Kemp, Eisenbahn-Kurier Verlag, Freiburg 2019)